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Augmented Reality in der Lehrerbildung

Eine explorative Studie mit HoloLens im Fachbereich Naturwissenschaft und Technik (ALex)

Während Computer, Tablets oder Handys seit einiger Zeit in Schule und Unterricht vermehrt Verwendung finden, werden neuere Technologien wie Augmented Reality (AR) im Bildungsbereich und insbesondere in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung bisher kaum genutzt. Vorhandene Studien zeigen jedoch, dass sie ein grosses Potenzial aufweisen, Lehr- und Lernprozesse wirkungsvoll zu unterstützen.

Das erklärte Ziel des Projektes „Augmented Reality in der Lehrerbildung. Eine explorative Studie mit HoloLens im Fachbereich Naturwissenschaft und Technik.“ (ALex) lag deshalb darin zu prüfen, welche Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen der Einsatz von Augmented Reality in der Ausbildung von Lehrpersonen im Fach Naturwissenschaft und Technik birgt. Gearbeitet wurde mit Microsoft HoloLens, einer technischen Entwicklung von Microsoft, die Ende März 2016 in den amerikanischen und kanadischen Markt eingeführt wurde. Die HoloLens ist eine Mixed-Reality-Brille, die wie eine herkömmliche Brille auf den Kopf aufgesetzt wird und als Head-Mounted Display agiert. Die transparenten Displays der HoloLens erlauben eine Überblendung der realen Umgebung mit virtuellen Inhalten und zusätzlichen Informationen. Durch Kontrollmechanismen wie verschiedene Gesten kann mit den Inhalten interagiert werden. Im Forschungsprojekt wurde dadurch mit einer innovativen Lehr-Lerntechnologie gearbeitet, die bislang in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung noch kaum Verwendung findet, der jedoch viel Potenzial für die Nutzung im Bildungsbereich zugesprochen wird. Die explorative Studie ALex verfolgte dabei folgende übergreifende Fragestellung: Wie ändert sich das Lernen durch den Einsatz von Augmented Reality mit HoloLens?

Für das Studienprojekt wurde eine Lerneinheit konzipiert zur Vermittlung von Molekülstrukturen mit der Software MoleGram Scientist (die Software wurde von der Firma afca in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich entwickelt und ist nicht frei zugänglich). Diese Lerneinheit ermöglicht durch AR eine neuartige Erkundung des Inhalts und macht Gebrauch von den Interaktions- wie auch Kollaborationsmöglichkeiten dieser technischen Lösung. Die Studie wurde mit vier Gruppen von Studierenden an unterschiedlichen Terminen im Mai 2019 durchgeführt. Die Teilnehmenden waren 18 Lehramtsstudierende für die Sekundarstufe I im Fach Naturwissenschaft und Technik der Pädagogischen Hochschule Zürich, die sich freiwillig am Projekt beteiligten. Sie setzten sich aus 10 männlichen und 8 weiblichen Studierenden zusammen. Mit jeder Gruppe wurde rund 2 Stunden gearbeitet. Nach einer Einführung in die inhaltliche Thematik anhand einer kurzen PowerPoint-Präsentation wurden die Teilnehmenden in die Bedienung der HoloLens eingeführt. Anschliessend arbeiteten sie mit der HoloLens kooperativ in Gruppen zu 2-3 Teilnehmenden gemäss den zuvor erteilten Arbeitsaufträgen. Die Aufträge umfassten hauptsächlich die Aufgabe, mit den HoloLens die 3D-Projektionen komplexer Moleküle zu betrachten und zu untersuchen sowie spezifische räumliche Eigenschaften der Moleküle zu identifizieren. Ebenfalls bekamen die Studierenden den Auftrag, sich Gedanken darüber zu machen, warum bestimmte räumliche Eigenschaften nützlich sind.

Um herauszufinden, welche Auswirkungen der Einsatz der HoloLens auf das Interesse, die Motivation, das kritische Denken und Problemlösen der Lernenden hat, wurden unterschiedliche Daten erhoben. Vor und nach der Lerneinheit wurden die Teilnehmenden zu ihren Vorerfahrungen und Einstellungen, Motivation und Interesse sowie den gemachten Erfahrungen befragt. Die Vorbefragung wurde schriftlich in Form eines Fragebogens, die Nachbefragung mündlich mittels halbstrukturierter Interviews durchgeführt. Die Einführung in die Bedienung der HoloLens sowie die nachfolgende Arbeitsphase mit der HoloLens in den Gruppen wurde durch zwei Standkameras im Raum videografiert. Ausserdem wurden mit jeder HoloLens Videoaufnahmen der Arbeitsphase gemacht. Die Videoaufnahmen wurden geschnitten, die Aufnahmen der zwei Standkameras und der HoloLens jeweils einer Gruppe wurden synchronisiert und zusammengefügt. So waren in einem Video die unterschiedlichen Videoaufnahmen und Tonspuren für die Auswertung einsehbar. Anhand der Videoaufnahmen ​wurde untersucht, wie die Studierenden mit den HoloLens arbeiteten und welche Denk- und Lösungswege sie einschlugen.

Aus den Rückmeldungen der Studierenden wird ersichtlich, dass sie bislang kaum Erfahrung mit AR-Technologien haben und sie diese ausschliesslich ausserhalb des Studiums machen konnten. Sie waren jedoch alle sehr motiviert, mit der HoloLens zu arbeiten und zeigten sich begeistert von den Möglichkeiten dieser Technologie. Obwohl sie lediglich eine kurze Einführung in die Bedienung der HoloLens hatten, kamen alle Studierenden gut mit der Bedienung zurecht. Alle befragten Studierenden würden es ausserdem begrüssen, wenn sie auch zukünftig im Studium mit den HoloLens arbeiten könnten. So sehen sie auch viele weitere Bereiche, in denen die Arbeit mit der Technologie sinnvoll sein könnte, wie beispielsweise in Biologie, Chemie, Bildnerisches Gestalten, Mathematik oder Geografie. Eine der befragten Personen äussert sich hierzu wie folgt:

S: Äh ich sehe viele Möglichkeiten, also ein grosses Potential dahinter. Was man dann (-) was man alles damit machen könnte. Also jetzt gerade für die Chemie, finde ich bietet es Gelegenheit etwas zu visualisieren, was sonst gar nicht möglich ist. Und auch für andere Fächer könnte ich mir vorstellen, (-) plus (-) ähm ist natürlich auch ein eigener ähm, Antrieb, auch – also es motiviert, würde mich selbst motivieren. Und dann auch die Schüler, denke ich. (Interview 10A, Pos. 28-33)

Die Mehrheit der Studierenden (11 von 18) äusserten im Interview, dass die Arbeit mit den HoloLens eine positive Auswirkung auf das Interesse am Fachinhalt hatte und 17 von 18 Studierenden waren der Ansicht, dass das kooperative Arbeiten unterstützt wurde. Aus den Videoaufnahmen wird ersichtlich, dass sich die Studierenden intensiv mit der Aufgabenstellung beschäftigt haben. In allen Gruppen wurde sehr fokussiert gearbeitet, Ablenkungen oder Störungen waren bis auf wenige Ausnahmen nicht vorhanden. Die technischen Möglichkeiten der HoloLens ermöglichen Interaktivität in unterschiedlichen Bereichen. Trotz der erstmaligen Nutzung der HoloLens haben die Studierenden diese Funktionalität offensichtlich intensiv genutzt, zum Beispiel die Möglichkeit, sich im Raum zu bewegen und ein Molekül aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Die Ergebnisse aus dem Projekt ALex sind vielversprechend und zeigen, dass es im Hochschulbereich, auch aus Sicht der Studierenden, durchaus sinnvolle Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie gibt. Da es sich bei dem Projekt um eine explorative Studie mit einer beschränkten Anzahl an Teilnehmenden handelt, wären weiterführende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sehr wünschenswert. So wäre es beispielsweise ein Anliegen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen, wie solche Technologien erfolgreich in bisherige Lernszenarien integriert werden können bzw. welche neuen, innovativen Lernsettings sich damit konzipieren lassen. Grösser angelegte Studien mit mehr Teilnehmenden wie auch Studien in unterschiedlichen fachlichen Bereichen wären hierfür notwendig. Das Lernangebot der Lehrerinnen- und Lehrerbildung könnte damit innoviert und optimiert und die angehenden Lehrpersonen gleichzeitig mediendidaktisch gefördert werden.

Kontaktdaten

Prof. Dr. Corinne Wyss
Leiterin der Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung Sekundarstufe I
Institut Sekundarstufe I und II
Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz
E-Mail: corinne.wyss@fhnw.ch
Telefon: +41 56 202 72 34

Dr. Wolfgang Bührer
Dozent Abteilung Sekundarstufe I
Fachgruppe Didaktiken Natur- und Gesellschaftswissenschaften
Pädagogische Hochschule Zürich
E-Mail: wolfgang.buehrer@phzh.ch
Telefon: +41 43 305 61 65

Weitere Projektmitarbeitende
Adrian Degonda
, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Medienbildung und Informatik, Pädagogische Hochschule Zürich
Florian Furrer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Didaktiken Natur- und Gesellschaftswissenschaften, Pädagogische Hochschule Zürich

Zusammenarbeit
Dr. Jan A. Hiss
(Mitentwickler der Software MoleGram), Institute of Pharmaceutical Sciences, Computer Aided Drug Design, ETH Zürich

Finanzierung
Das Projekt wurde durch den Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.
SNF Projektnummer: 10DL19_183135 - Digital Lives

Wissenschaftliche Publikation
Wyss, C., Bührer, W., Furrer, F., Degonda, A., & Hiss, J. A. (2021). Innovative Teacher Education with the Augmented Reality Device Microsoft HoloLens—Results of an Exploratory Study and Pedagogical Considerations. Multimodal Technologies and Interaction, 5(8), 45.
https://www.mdpi.com/2414-4088/5/8/45