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Breaking Bad Behaviors (BBB)

Breaking Bad Behaviors (BBB) ist ein vollimmersives Virtual Reality (VR)-System zur Förderung von Klassenführungskompetenzen. Das System entstand aus einem interdisziplinären Projekt des Lehrstuhls für Schulpädagogik und des Lehrstuhls für Human-Computer Interaction an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg.

Ausgangslage

Da Unterrichtsstörungen nicht planbar sind und nicht systematisch in Praktikumserfahrungen auftreten, können Handlungskompetenzen im Feld der Klassenführung nur schwer systematisch entwickelt werden. Daher richtet BBB einen besonderen Fokus darauf, wie Störverhalten von Schülerinnen und Schülern in virtuellen Unterrichtsszenarien präventiv und reaktiv unterbunden werden kann.

Das Virtual Reality-System BBB

Das System ist für die HTC Vive konzipiert und somit auf kostengünstige Consumer-Hardware und -Software ausgelegt.

Der Kern des Systems ist eine virtuelle Echtzeit-3D-Simulation eines Klassenzimmers, in dem bis zu vierundzwanzig halbautonome virtuelle Schülerinnen und Schülern Platz finden. Je nach Anforderung kann die Klassengröße in den Voreinstellungen per Regler ausgewählt werden. Zudem können unterschiedliche Sitzordnungen genutzt werden. Das System wurde als Begleitinstrument für universitäre Seminare zum Thema Klassenführung für Studierende des Lehramtes konzipiert. Mit BBB soll es Hochschuldozierenden ermöglicht werden, Theorie und Praxis mit dem Medium VR zu verknüpfen.

Das System ist für zwei Benutzergruppen ausgelegt: sich in der Ausbildung befindende Lehrende (User) und Dozierende (Instructor), die die Simulation bedienen, steuern und kontrollieren. Dabei erlebt der bzw. die Lehrende die immersive Echtzeit-3D-Simulation des Klassenzimmers mit Hilfe eines Head-Mounted Displays sowie Kopfhörern. Der bzw. die Dozierende hingegen steuert das System und die Reaktionen und Aktionen der virtuellen Schülerinnen und Schüler über eine grafische Benutzerschnittstelle. Die Dozierendenperspektive ermöglicht den Blick auf die Klasse sowie einen Avatar, der die Lehrperson repräsentiert und deren Bewegungen von dem Tracking-System erfasst werden. Als zusätzliche Hilfestellung wird dem bzw. der Dozierenden auch die Blickrichtung des Lehrenden angezeigt

Die Bedienoberfläche stellt dem bzw. der Dozierenden ein Menü mit Verhaltens- und Feedback-Kontrollmechanismen bereit, um individuelle Trainingseinheiten zu ermöglichen. Die Avatare der virtuellen Schülerinnen und Schüler können durch den bzw. die Dozierende ausgewählt und ein potentielles oder definitives Störverhalten zugewiesen bekommen. Zu diesem Zweck erscheint nach Selektieren eines Avatars ein Auswahlmenü, das entweder ein Aktivieren eines Dialoges zwischen den Avataren und der Lehrperson ermöglicht oder die Wahl eines Störverhaltens anbietet. Die Unterrichtsstörungen können aus einer Kategorisierung von „low“ über „medium“ bis „high“ ausgewählt werden. Die drei Kategorien bieten insgesamt 15 Auswahlmöglichkeiten für den Unterricht störendes Schülerverhalten an, wie z. B. das Tagträumen als geringes Störmoment und das Nutzen eines Handys bzw. das Treten des Banknachbars als schwerwiegende Unterrichtsstörungen.

Eine erste Studie bestätigte die Konformität zu essentiellen Usability-Anforderungen (d.h. Sicherheit und Komfort, Glaubwürdigkeit, Einfachheit, Akzeptanz, Erweiterbarkeit, Erschwinglichkeit und Mobilität) (Latoschik et al. 2016, Lugrin et al. 2016).

Hochschuldidaktisches Konzept zum Einsatz von BBB

Für den Einsatz von BBB wurde theorie- und empiriegeleitet ein hochschuldidaktisches Konzept zur Förderung der Klassenführungskompetenzen von Lehramtsstudierenden entwickelt. Maßgebliche wissenschaftliche Grundlage ist hochschuldidaktischer Ansatz reflexiven Lernens zu Grunde, bei dem die Studierenden virtuelle Szenarien zur Prävention und Intervention von Unterrichtsstörungen mit Wissenschaftswissen zum Classroom Management und ihren subjektiven Theorien in Beziehung setzen. Zudem folgt das hochschuldidaktische Konzept dem Prinzip der Handlungsorientierung. Komplexe Ausgangsszenarien können kollaborativ gestaltet, im virtuellen Klassenzimmer erprobt und diese Erfahrung wissenschaftlich reflektiert werden.

Evaluation der Wirkungen

Im Sommersemester 2017 wurde die Seminarkonzeption unter Nutzung des virtuellen Klassenzimmers evaluiert. Ziel der Evaluation war die Frage, ob und inwiefern Steigerungen der Klassenführungskompetenzen der Studierenden durch das hochschuldidaktische Konzept unter Nutzung des virtuellen Klassenzimmers erreicht werden können und welche Nebenwirkungen bezüglich der Zielerreichung festzustellen sind.

Als Forschungsdesign wurde eine quasi-experimentelle Evaluationsstudie mit Pre- und Post-Test gewählt. Als Experimentalgruppe dienten zwei Seminare, die gemäß des theorie- und empiriegeleitet entwickelten Konzepts unter Verwendung des virtuellen Klassenzimmers gearbeitet haben. In der Kontrollgruppe wurden dieselben Inhalte unter Verwendung von Videos, die sich aus typischen Unterrichtssituationen, Rollenspielen aus dem Referendariat oder Ausschnitten aus TV-Dokumentationen zusammensetzten, erarbeitet.

Die Studie ergab, dass die Studierenden, die BBB im Seminar verwendeten, signifikant besser im Post-Test abschnitten. Die Teilnehmer des videobasierten Seminars hingegen erzielten keine signifikant bessere Leistung im Post-Test. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass BBB auf eine sehr effektive Weise die Ausbildung von Klassenführungskompetenzen in der Lehrerausbildung unterstützt. Ebenso zeigten die Ergebnisse, dass die VR Trainingsanwendung eine ideale Alternative zu traditionellen Lehrmethoden darstellt (Lugrin et al. 2018).

Kontaktdaten

Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Lehrstuhl für Human-Computer Interaction
Ansprechpartner: Jean-Luc Lugrin
E-Mail: jean-luc.lugrin@uni-wuerzburg.de
Telefon: +49 (0) 931 31 81704

Lehrstuhl für Schulpädagogik
Ansprechpartner: Christian Seufert
E-Mail:   christian.seufert@uni-wuerzburg.de
Telefon: +49 (0)931 31-88787