Zum Hauptinhalt springen

ELISE – Entwicklung eines interaktiven und emotionssensitiven Lernsystems zur Kompetenzentwicklung im Bereich des Geschäftsprozessmanagements

Ausgangslage und Ziele

Die Digitalisierung und der Wandel hin zu einer Wissens- und Innovationsgesellschaft wirken sich in vielen Facetten auf den Beruf und den Alltag aus und sind zentrale Treiber von Veränderungen. Unternehmen greifen auf Innovationsmöglichkeiten der Digitalisierung zurück und sind dadurch in der Lage, ihre Geschäftsmodelle zu ergänzen oder neu auszurichten. Die universelle Verfügbarkeit von Konsumenten-Technologien (z. B. Smartphones, Tablets oder Social Media) und die Verlagerung von Gestaltungspotenzial auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selber befeuern die Dynamik und Komplexität der Veränderung im Zuge der Digitalisierung (Niehaves et al. 2013a, 2013b). Für viele Unternehmen im globalen Wettbewerb ist die Nutzung des Innovationspotenzials durch Digitalisierung überlebensnotwendig.

Die dynamische Anpassung und Weiterentwicklung der unternehmerischen Wertschöpfung ist zwingend erforderlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hiermit verbunden ist die Verpflichtung, die MitarbeiterInnen so in ihren Kompetenzen zu fördern, dass Sie den Wandel mitmachen und ihn sogar (mit-)gestalten können. Beispielsweise sind Beschäftigte in Bezug auf neue Arbeitsprozesse zu schulen oder sie sollen auf eine gestaltende Rolle als Prozessinnovator vorbereitet werden. Menschen stehen im Zentrum eines Prozesses und ihr Lernen – in verschiedenen Ausprägungen – ist zentraler Baustein der Chancennutzung von Veränderung. Daher sind Konzepte und Instrumente notwendig, um die Aus- und Weiterbildung in einer stark dynamischen Umwelt durchführen und gewährleisten zu können.

Das Projekt ELISE untersucht ein interaktives und emotionssensitives Lernsystem zur Kompetenzentwicklung im Geschäftsprozessmanagement, einem technologie- und wissensintensiven Lernbereich. Das integrierte Hardware-Software-System ELISE ist als „Serious Game“ gestaltet, das Lernenden das spielerische Durchlaufen 3-dimensional- und multimedial-visualisierter Geschäftsprozesse („Process Walkthroughs“) ermöglicht. Das Projekt verbindet Innovationen der Mensch-Technik-Interaktion (z.B. miniaturisierte Gestensteuerung oder sensorbasierte Emotions-erfassung) und Innovationen der Didaktik im Bereich der „Gamification“ (z.B.  „Scores“) und des „Embodiment“ (z.B. Verkörperung in einer virtuellen Realität, Körperlichkeit durch räumliche Gestensteuerung sowie emotionsbasiert individualisierte Lernprozesse). ELISE verfolgt einen experimentell-evaluativen Ansatz, der die Kombinationen einzelner MTI-Gestaltungselemente in ihren Wirkungszusammenhängen bei unterschiedlichen demografischen Zielgruppen analysiert. ELISE hat den Marktzugang in der tertiären und auch in der berufsbegleitenden Bildung und profitiert der Zusammenarbeit von Praxis (KMU und marktführendem Großunternehmen) mit einem interdisziplinär besetzenden wissenschaftlichen Team.
 

Konzept und Umsetzung

Dem Projekt ELISE liegt ein didaktisches und technisches Konzept zugrunde (vgl. Abb. 1), welches sich einem Architekturkonzept (Online, Hardware Connection, Middleware und Client) mit verschiedenen Komponenten (Repository System for Business Process Management, Driver Interface for Tracking Ring, Virtual Reality Head Mounted Display Software Development Kit, Realtime Gesture Detection Module, Middleware Connector, Unreal Engine 4 und Authoring Tool & Client Application) besteht.

Das VR Head Mounted Display bildet die virtuelle Realität ab. Die Unreal Engine 4 ist innerhalb der Middleware die 3D Engine zur Darstellung der virtuellen Realität. Das Realtime Gesture Detection Module verarbeitet die Streams aus Leap Motion und der VR Brille. Der Middleware Connector dient als Verbindungsstück zwischen Geschäftsprozessmanagement-Tools und Unreal Engine 4. Das ELISE Editor Authoring Tool ist eine technische Erweiterung des Unreal Engine 4 Editors. Dieses dient der Erstellung von Lerninhalten und der Verknüpfung mit der Hintergrundlogik durch die Anwender. Die ELISE Client Application ist die direkte Anwendung für die ELISE Lernumgebung, welche Szenenobjekte und Eingaben verwaltet.

Affective Learning im Sinne des Erzielens individueller Lernleistungen durch Anpassung der Lernumgebung an die emotionalen Zustände der Lernenden, wird durch das Zusammenspiel der dargestellten Komponenten realisiert. Aufbauend auf dem ELISE-Architekturkonzept wird eine Lernumgebung zur Kompetenzentwicklung im Bereich des Geschäftsprozessmanagements im Rahmen einer virtuellen 3D Welt gestaltet (Virtual Reality Serious Game). Das Verhalten der Spielenden ebenso wie Gesten und physisch messbare Zustände (z. B. Hautleitwiderstand oder Herzschlagrate), werden über Sensoren erfasst und mit Komponenten innerhalb der ELISE-Architektur interpretiert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Rückschlüsse zu emotionalen und kognitiven Zuständen der Spielenden sowie deren individuelle Lernperformanz werden für eine individuell darauf abgestimmte Steuerung des Spielverlaufes genutzt.

Die Umsetzung des interaktiven und emotionssensitiven Lernsystems erfordert die Erfassung personenbezogener Daten. Ethische, rechtliche und soziale Implikationen (ELSI) sind deshalb ein wichtiger Teilbestand des Projekts, die umfassend zu adressieren sind.

Evaluierung

Im Kern sind im Projekt ELISE experimentell-evaluative Ansätze durchgeführt wurden. Unter anderem sind Studien zur Emotionserkennung, wie müssen Hardware-technische Elemente gestaltet sein um sie VR-tauglich zu machen (vgl. Abb. 2), und zur Erklärung verhaltenstheoretischer Elemente, wie kann das Lernen in einer VR-Umgebung adressiert werden (vgl. Abb. 3), untersucht worden. Hierunter fallen beispielsweise erklärende Faktoren, die Immersion innerhalb einer virtuellen Umgebung positiv zu beeinflussen.

Ein weiterer zentraler Aspekt sind die Integration spielerischer Elemente (Gamification) in die VR‑Lernumgebung in Zusammenarbeit mit emotionssensitiven Komponenten (affective learning, z.B. die Erkennung von Freude/Spaß während des Lernprozesses; vgl. Abb. 4).

Unsere Erkenntnisse zeigen hier, dass eine große Akzeptanz vorhanden und viel Spaß bei der Nutzung einer VR-Lernumgebung gegeben ist. Wichtig ist, auch für zukünftige Nutzungen, dass ethische und soziale Aspekte bei der Weiterentwicklung stets berücksichtigt werden sollten und in den Design-Prozess mit integriert werden.
 

Zukünftige Arbeiten

Weitere Forschungsarbeiten sind auch nach Abschluss des Projektes ELISE notwendig. Im Kern sollen weitere Szenarien und Prozesse virtuell abgebildet, die Algorithmen zur Emotionserkennung werden weiterentwickelt und für weitere Emotionen nutzbar gemacht sowie die Sensoren zur Emotionserkennung (noch) ergonomischer gestaltet werden.
 

Kooperationspartner

Das Projekt ELISE (Laufzeit 2016-2019, BMBF-16SV7512) ist ein Forschungsvorhaben eines interdisziplinär zusammengesetzten Teams aus Industriepartnern und Wissenschaftlern. Die wirtschaftlichen Partner des Projektes sind der Konsortialführer Limbic Entertainment GmbH (Dr. Florian Mehm) und die Software AG (Marc Dorchain). Die wissenschaftlichen Akteure des Forschungskollegs der Universität Siegen sind der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und das Center for Responsible Innovation & Design (Univ.-Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves, Dr. Henrik Freude), der Lehrstuhl für Medizinische Informatik und Mikrosystementwurf (Univ.-Prof. Dr. Rainer Brück) sowie die Forschungsgruppe zur Mustererkennung (Univ.-Prof. Dr Marcin Grzegorzek).
 

Referenzen

Grünewald, A., Krönert, D., Li, F., Kampling, H. (2018). Biomedical Data Acquisition and Processing to Recognize Emotions for Affective Learning. In: International Conference on Biological Information and Biomedical Engineering (BIBE 2018), Siegen, Germany.

Heger, O., Niehaves, B., Kampling, H. (2018). The value declaration: a method for integrating human values into design-oriented research projects. In: Ethics and Information Technology, pp 1–4, Print ISSN 1388-1957, Online ISSN 1572-8439.

Jahn K., Kampling H., Klein H. C., Kuru Y., Niehaves B. (2018). Towards an Explanatory Design Theory for Context-dependent Learning in Immersive Virtual Reality. In: Proceedings of the 22th Pacific Asia Conference on Information Systems (PACIS 2018), Yokohama, Japan.

Jahn, K., Heger, O., Kampling, H., Stanik, K. Niehaves, B. (2017). Designing for Knowledge-Based Familiarity, Trust, and Acceptance: The Case of Affective Technology. In: Proceedings of the 25th European Conference on Information Systems (ECIS 2017), Guimarães, Portugal, ISBN 978-989-207655.

Jahn, K., Kordyaka, B., Heger, O., Kampling, H., Niehaves, B. (2017), Feedback, Affect, and Mediated Communication: Towards an Explanatory Design Theory, In: Proceedings of the 12th International Conference (DESRIST 2017), Karlsruhe, Germany, ISBN 978-3-319-59143-8.

Kampling, H., Schwarze, A., Heger, O., Niehaves, B. (2019). Conceptualizing Immersion for Individual Learning in Virtual Reality. 14. Internationale Tagung Wirtschaftsinformatik (WI 2019), Workshop Proceedings EMoWI’19, Siegen, Germany.

Kampling, H. (2018). Feeling Presence in Immersive Virtual Reality for Individual Learning. In: Proceedings of the 39th International Conference on Information Systems (ICIS 2018), San Francisco, USA.

Kampling, H. (2018). The Role of Virtual Reality in Individual Learning. In: Proceedings of the 51st Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS-51), Big Island, Hawaii.

Niehaves, B., Plattfaut, R., & Becker, J. (2013). Business Process Management Capabilities in Local Governments: A Multi-Method Study. Government Information Quarterly, 30(3).

Schwarze, A., Kampling, H., Heger, O., Niehaves, B. (2019). Is Virtual Reality the Future of Learning? A Critical Reflection. In: Proceedings of the 52nd Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS-52), Maui, Hawaii. ISBN: 978-0-9981331-2-6.
 

Kontaktdaten und weitere Informationen

www.elise-lernen.de

Dr. Henrik Freude
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik
E-Mail: henrik.freude@uni-siegen.de
Telefon: +49(0)271 740-3277